Wissenschaft und Selbstbewusstsein
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Blickdichte Stoffe, lange Ärmel und dickes Make-up ... das sind nur ein paar Kniffe, mit denen Menschen, die an Hautkrankheiten leiden, sich vor den Blicken anderer schützen wollen.
Ob am Arbeitsplatz oder bei Unternehmungen mit Freunden – Hautkrankheiten sind oft eine spürbare Quelle des Unbehagens, die weit tiefer geht als nur bis in die obersten Hautschichten mit ihren sichtbaren Symptomen. Viele der von chronischer spontaner Urtikaria (csU) betroffenen Patienten geben an, dass sie sich weniger attraktiv fühlen als früher und sich wegen ihrer Haut schämen.1
Dieses geballte Unbehagen führt dazu, dass viele Betroffene sich fragen, was eigentlich mit ihnen passiert und warum. Aus diesem Grund haben wir nach Antworten gesucht.
Seit Jahrhunderten beschäftigt sich der Mensch mit dem menschlichen Bewusstsein und seiner Funktionsweise. Wenngleich die Psychologie des Selbstbewusstseins ein überaus kompliziertes Thema ist, lässt sie sich grob in zwei einfache Grundprinzipien einteilen:
Zwischen diesen beiden Prinzipien kann es zu Überschneidungen kommen. Die Tatsache, dass die Haut sichtbar ist, kann Ihr Bewusstsein des eigenen Körpers und der eigenen Gedanken (private Selbstwahrnehmung) schärfen und dazu führen, dass Sie meinen, gewissermaßen alle Blicke auf sich zu ziehen (öffentliche Selbstwahrnehmung).
Ismail, csU-Patient
Die Ursache Ihres Unbehagens ist damit geklärt. Was aber läuft im Gehirn ab, damit es dazu kommt?
Im Verlauf der Evolution des Menschen veränderte sich auch die Wahrnehmung des eigenen Selbst – die sich von einem grundlegenden Gefühl des Eigen-Bewusstseins zum modernen, komplexen Konzept des Selbstbewusstseins entwickelt hat, wie wir es heute kennen. Wenngleich Menschen schon seit Jahrtausenden das Gefühl von Unsicherheit beziehungsweise Gehemmtheit kennen, herrscht in der Wissenschaft noch immer Klärungsbedarf dahingehend, welche Prozesse sich dabei eigentlich im Gehirn abspielen und zur Entstehung dieser Gefühle führen.
Man geht davon aus, dass viele Gehirnareale an der Entstehung des Unsicherheitsempfindens beteiligt sind, was zu Schüchternheit und sozialen Ängsten führen kann. Allerdings herrscht die Überzeugung, dass zwei spezielle Gehirnbereiche – das sogenannte Gefühlssystem (oder limbisches System) und das Verhaltenssystem (oder Frontallappen) die zentralen Akteure der Gehirnaktivität sind.5,6
Die Forschung hat spezielle Nerven im Verhaltenssystem im vorderen Teil des Gehirns identifiziert, die das Eigen-Bewusstsein und das Gefühl der Unsicherheit maßgeblich beeinflussen. Dies sind „Spiegelneuronen“, die dafür verantwortlich sind, dass wir die Handlungen und Gesichtsausdrücke von Menschen in unserer nächsten Umgebung verstehen und darauf reagieren, und Spindelneuronen (auch bekannt als Economo-Neuronen), die an der Selbstwahrnehmung beteiligt sind. Da diese Nerven physikalisch durch den Gesichtsausdruck anderer Menschen aktiviert werden können, könnten Sie das „Verbindungsglied“ sein zwischen einer anderen Person, die Ihre Haut betrachtet, und der sich dann bei Ihnen einstellenden Unsicherheit.5,6,8
Wenngleich soziale Unsicherheit Sie ganz schön deprimieren kann, muss sie nicht zwangsläufig ein schlechtes Gefühl sein. Sie kann nämlich auch positive Empfindungen auslösen. Wenn Sie sich Ihrer selbst, Ihrer Gefühle und Handlungen stärker bewusst sind, können Sie auch leichter erkennen, wann Sie sich von sozialen Anlässen besser fernhalten sollten. Nur wenn Sie dies selbst empfinden, können Sie daran etwas ändern und trotz einer Hautkrankheit ein geselliges soziales Leben führen.
Wenn Sie Schwierigkeiten im Umgang mit der emotionalen oder psychischen Belastung Ihrer Hautkrankheit haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt – vielleicht kann er Ihnen auf diese Weise leichter die richtigen Empfehlungen und Hilfen an die Hand geben, die auf Ihre persönlichen Bedürfnisse abgestimmt sind.
Wir haben nun also gesehen, dass die soziale Unsicherheit ein normales Gefühl ist, das jeder von uns kennt. Denken Sie also daran: Sie unterscheiden sich gar nicht so sehr von anderen, wie Sie manchmal vielleicht glauben!